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Geleitwort Migiersdottir

Geleitwort 1

Es ist nicht leicht, eine Sonne zu sein.

Oder ein Planet. Ein Gott. Ein, äh, wasauchimmer. Ich könnte es anders ausdrücken: Wer Freunde hat wie etwa Dirk van den Boom oder Holger M. Pohl – oder gar Axel Kruse! – muss sich wenig Gedanken über Lebensführung, Rollenklischees oder auch bloß sein eigenes Ableben machen.

Dafür sorgen die ja schon…

Die Perspektive eines Lesers, eines Fans, kenne ich bereits mein Leben lang. Seit meiner Kindheit lese ich gerne, dabei schon immer mit einem besonderen Augenmerk auf Science Fiction und Fantasy. Und so führte mich mein Lebensweg neben einigen weiteren Irrungen und Wirrungen unter anderem ins SF-Fandom, wo ich neben meiner Rolle als Konsument auch in vielen anderen Rollen herumtoben konnte und dabei die eine oder andere Freundschaft schloss, die mich seitdem begleiten. Andere Freundschaften kamen im Laufe meines Lebens dazu, und immer wieder waren und sind da auch Gestalten bei, die sich in den Weiten der Phantastik tummeln.

Welche Gefahren das bergen kann, haben Dirk und Holger bereits trefflich dargelegt, und daher schreibe ich dieses kleine Geleitwort ein wenig auch aus der Perspektive des Opfers.

In diesem Roman gibt es ein Sonnensystem mit einer merkwürdigen Sonne und einem ebenso merkwürdigen Planeten. Aber das, und das kann ich nach Genuss der noch unlektorierten Vorabfassung mit Fug und Recht sagen, ist auch das einzige, das „merkwürdig“ genannt werden muss: „Migiersdottir“ ist fernab seines Titels ein äußerst  unterhaltsames Werk, das mir nicht nur aus naheliegenden Gründen viel Vergnügen bereitet hat.

Ein Space-Western? Pferde, Armbrüste, Raumschiffe? Ein Putsch erfolgt. Ein König stirbt. Komplikationen. Gewissensbisse. Ein merkwürdiger Wandergeselle. Kämpfe und Intrigen. Kird ist ein Schwein. Und über allem steht Migiers am Firmament.

Es hätte also schlimmer kommen können (und seien Sie versichert, werte Leser, es IST in meinem Dasein als literarische Randexistenz schon VIEL schlimmer gekommen!), auch wenn zum Ende hin – ach nein, das lesen Sie besser selbst.

Was bleibt? Ein bisschen Stolz, ein bisschen Eitelkeit, in jedem Fall ein Lächeln, wenn es das Opfer mal wieder erwischt hat. Ob es nun eine Anspielung ist, ein Nebensatz, den nur Eingeweihte oder man selbst verstehen, oder ob es eine mehr oder minder aktive Rolle in einem Roman ist oder gar die Benennung eines Sterns – das Gefühl, auch ohne eigene ernstzunehmende literarische Ambitionen Einzug in die Welt der Phantastik gefunden zu haben, ist letztlich unbezahlbar.

Dortmund, 26. September 2021

Michael Gierse

Geleitwort 2

Das Universum ist ein Multiversum

Irgendwann, in diesem oder einem anderen Universum, lebt eine Figur mit Namen Elak Surex. Was sage ich? Eine Figur? Nun, inzwischen sind es schon mindestens zwei. Nämlich in diesem Roman und in einem anderen.

Wer aber ist nun dieser Elak Surex?

Über die Tuckerisierung hat der große Lehrer Diboo ja schon alles gesagt (und ja, auch das ist eine Tuckerisierung und ein Insider – manche wissen vielleicht, wer diese Figur erfunden hat und wo sie vorkommt.) und ich muss an dieser Stelle nicht noch sehr viel mehr dazu sagen. Außer, dass auch ich gerne damit spiele. Mal aus Spaß, mal aus Ernst. Oder aus Spaß wird manchmal Ernst. Und aus einem Steuerberater mit Namen Axel Kruse wird ein ehemaliger Mitarbeiter der Steuerbehörde namens Elak Surex. Jeder soll bekommen, was und wie er es verdient.

Also … es gibt Elak Surex in einem meiner Romane. Das entstand irgendwie auf Facebook. Ich sagte was, Axel sagte was, ich sagte was … und Elak Surex war geboren. Axel hatte sich das verdient.

Es war natürlich zu erwarten, dass er sich revanchiert. Damit kann ich leben. Dass er dann aber auch noch seinen Protagonisten nach meinem Charakter genannt hat … eigentlich sollte ich dagegen vorgehen, Zeter und Mordio schreien, alle Rechtsmittel ausschöpfen. Aber Axel ist jemand von der netten Sorte. Also verzichte ich auf jede Klage und gönne es ihm einfach. Großzügig, wie ich hin und wieder bin.

Denn das Universum ist ein Multiversum. Und Axels Universum ist nicht mein Universum. Es ist also Platz genug für beide Elak Surexe da. Oder sogar noch mehr. Man weiß es nicht. Denn das Universum ist … ja, wir hatten es schon davon.

Natürlich haben sie unterschiedliche Charaktere. Anderes Universum halt. Ich könnte jetzt etwas über Axels Figur sagen, aber dann würde ich spoilern. Doch das wäre höchst unfreundlich von mir. Würde ich über meinen Surex reden und behaupten, er sei das Gegenteil von dem Surex, dem Axel Leben eingehaucht hat, dann wäre das ebenfalls gespoilert. Lest also selbst. Zunächst einmal diesen Roman, den Ihr gerade in Händen haltet. Lasst Euch aber anschließend nicht davon abhalten, auch meinen Elak Surex kennenzulernen.

Ich durfte das Werk jedenfalls schon in seiner unlektorierten Rohfassung genießen und fühlte mich sehr gut unterhalten. Wer mich kennt, der weiß, dass das ein durchaus positives und in der Regel mein einziges Urteil ist: Migiersdottir hat mir ausordentlich gut gefallen! Amüsant und unterhaltsam. Meine Zeit war nicht verschwendet.

Wie ich nun selbst darin wegkomme? Sagen wir es so: Ich schätze, dass noch eine Inkarnation des Elak Surex das Licht der Welt erblicken muss. Aber das Universum ist ja ein Multiversum.

Leingarten, 29. August 2021

Holger M. Pohl

Geleitwort 3

Die süße Frucht der Tuckerisierung

Wovon rede ich hier? Tuckerisierung (im englischen Original „Tuckerization“) ist die schriftstellerische Eigenart, den Namen einer Person, die man im Regelfalle persönlich kennt, abgewandelt oder im Original in einer Geschichte als Scherz zu verwenden. Der Begriff leitet sich von Wilson Tucker ab, einem amerikanischen Science-Fiction-Autor, Fan und Fanzine-Redakteur, der es sich zur Gewohnheit machte, die Namen seiner Freunde für Nebenfiguren in seinen Geschichten zu verwenden.

In den meisten Fällen wird Tuckerisierung für eben solche Nebenfiguren verwendet, eine Gelegenheit für den Autor, eine Hommage an einen Freund oder angesehenen Kollegen zu erstellen oder jemanden damit zu ärgern (was ja auch eine Art von Respektbezeugung sein kann). Manchmal fügt ein Autor den Namen, die Beschreibung oder identifizierbare Merkmale eines Freundes einer Hauptfigur bei, und in einigen Romanen repräsentieren fast alle Charaktere Freunde, Kollegen oder prominente Personen, die der Autor kennt. Wenn dies geschieht, kann die Tuckerisierung bis zum Niveau eines Schlüsselromans ansteigen.

In dem vorliegenden literarischen Werk eines mir persönlich bekannten Steuerberaters können wir wohl zweifelsohne von einem Schlüsselroman dieser Natur sprechen. Ich möchte hier nicht auf die Tatsache eingehen, dass ich selbst Opfer des Autors geworden bin, wäre das nicht so, hätte er mich nicht um diese Zeilen gebeten. Stattdessen möchte ich kurz darauf eingehen, was Tuckerisierung eigentlich bedeutet, und ich kann und darf das, da ich mich dieses Mittels ebenfalls gerne und häufig bediene.

Für die Leserinnen und Leser meiner Werke ist dies, und dessen muss man sich immer klar sein, völlig bedeutungslos. Wenn sie nicht zufällig Kenntnis über mein persönliches Umfeld haben, wird niemand verstehen, wenn ich eine Figur in einem meiner Romane an eine Person aus eben diesem anlehne. Für die normalen Konsumenten meiner Texte ist diese Figur wie jede andere und muss daher auch ohne jeden Bezug zum „Original“ funktionieren. Darauf muss man als Autor achten: der „Insider-Witz“ ist eben nur für Insider. Wie aber wirkt er auf jene, die keine sind? Wird der Roman dadurch unverständlich? Und der Witz, den man damit macht: funktioniert er auch, ohne dass ich weiß, wer genau dieser mysteriöse „Michael Gierse“ eigentlich in Wirklichkeit ist? Nicht immer gelingt das. Wenn man als Autor nicht aufpasst, schreibt man einen Roman, den niemand mehr versteht außer ein paar wenigen Eingeweihten. Für manche führt das zu literarischem Ruhm, denn nichts ist attraktiver als das Unverständliche. Für die meisten aber wohl eher nicht.

Was bedeutet es aber für den Autor? Warum macht er sowas? Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Manchmal ist es Gehässigkeit. Manchmal ist es liebevolle Zuneigung. Manchmal ist ein es ein eingelöstes Versprechen, eine verwirklichte Drohung oder der Gewinn in einem Preisausschreiben. Mitunter ist es eine Kombination mehrerer Faktoren (eine Mischung aus Gehässigkeit und Zuneigung kommt häufiger vor, als man gemeinhin annehmen möchte). In manchen Fällen kann es sogar ein Ausdruck des Respekts sein, im Falle der Entität „Michael Gierse“ ist es beinahe schon so etwas wie Gewohnheit. Ein Roman füllt sich nicht fertig, vollständig oder rund an, wenn darin nicht eine Gierse-Version schmerzhaft ihr Ende findet.

In erster Linie ist Tuckerisierung aber ein Produkt der Einsamkeit des schriftstellerischen Prozesses. Wer schreibt, ist auf sich selbst und die eigene Gedankenwelt zurückgeworfen, und keine solidarische Schreibgruppe kann das im Grunde ändern, bei den eher introvertierten Typen schon mal gar nicht. Die einzige Gesellschaft, die man hat, ist die der eigenen Prota- und Antagonisten, und diese entwickelt man, unbewusst oder bewusst, oft aus Personen, die man im wirklichen Leben kennt. Von dieser Übertragung hin zur Tuckerisierung ist es oft nur ein kleiner Schritt. Man genießt die Gesellschaft von Anderen in einem kreativen Prozess, der Gesellschaft im Grunde ausschließt. Es hat ein tröstendes, ein vertrautes Element, es ist eine Verknüpfung mit der Realität, die man eigentlich gerade dabei ist zu verlassen.

Für die Opfer von Tuckerisierung ist es nicht immer angenehm. Ich bin da aber leidenschaftslos und empfinde wenig Mitleid. Wer sich freiwillig mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern abgibt, muss mit diesem Risiko einfach leben. Sich nachher zu beschweren oder auch nur leidend dreinzuschauen, lässt den Urheber des Textes im Regelfalle kalt. Wie man sich bettet, so liegt man, und wer nicht nass werden will, der sollte halt nicht rausgehen, Michael.

In diesem Sinne noch viel Spaß mit dem vorliegenden Text. Wenn Axel Kruse in einem meiner nächsten Romane auftauchen sollte, dann natürlich aus Rache. Ja, auch das kann eine wunderbare Motivation für Tuckerisierung sein.

Dirk van den Boom